16.12.2024

In Kohlscheid sind die Amerikaner

Ausschnitt aus dem handschriftlichen Bericht Büttgenbach
Ausschnitt aus dem handschriftlichen Bericht Büttgenbach
Verwundetentransport Kohlscheid Oststraße
Verwundetentransport Kohlscheid Oststraße

Am 16. Oktober 1944 wurde auch Kohlscheid von Einheiten des 119. Regiments der 30. Infanteriedivision eingenommen.

Erst am 21. Oktober 1944 kapitulierte die deutsche Wehrmacht in Aachen. Bis dahin wurde rund um Kohlscheid geschossen, gebombt, gehungert usw.

 

Hinweise zu den Quellen unter Kriegsende im Aachener Raum

In den Morgenstunden dringen amerikanische Einheiten von Bardenberg und Morsbach her in Kohlscheid ein. Es kommt an einzelnen Stellen, so auf dem Friedhof an der Oststraße, zu Abwehrkämpfen. Kohlscheid geht verloren. Der Stoß zielt westlich der Wurm weiter nach Süden, um den Ring um Aachen zu schließen. Nach Eroberung der deutschen Riegelstellung unterhalb Scherbergs können sich die von Westen und Süden kommenden amerikanischen Truppen vereinigen. Aachen ist eingeschlossen. Die deutschen Soldaten ziehen sich auf Aachen zurück, die Amerikaner folgen ihnen. Ein amerikanischer Vorstoß aus Kohlscheid ostwärts von Richterich gegen Aachen wird durch Abwehrfeuer vom Lousberg zum Abdrehen gezwungen. (Aretz Herbst 1944)

Morgens 7.00 Uhr letzter Beschuß über Kohlscheid. 8.30 Uhr erhielten wir die Nachricht: "Der Amerikaner ist auf dem Marktplatz." Alle wie aus einem Munde: "Gott sei Dank!" Schon hörten wir die Panzerwagen in der Nordstraße rollen und abends 17.00 Uhr kamen die ersten Amerikaner in die Mühlenstraße. Der 16. Oktober war für uns nach dreiwöchigem Warten ein Freudentag, denn wir konnten noch einmal nach draußen gehen. (Josef Kaymer)

Endlich! Dieses eine Wort sagt alles! Heute morgen, kurz vor sieben Uhr, bekommt Kohlscheid wieder einige Treffer. ... Als sich einer nach draußen wagt, hören wir, daß die Amerikaner in Kohlscheid sind. Kurz danach kommt jemand und sagt, das Bürgermeisteramt sei schon besetzt. Unsere Freude ist unbeschreiblich groß. Henni und Lil haben schon einen amerikanischen Soldaten gesehen. Als Vater, Hubert, Herr Imperatori und Klaus zur Weststraße gehen, kann ich von der Moltkestraße her aus einen sehen. Es ist doch ein merkwürdiges Gefühl! Die vier haben sogar mit einem Amerikaner gesprochen und ihm ihre Papiere zeigen müssen. Nun wagen wir es, Küsters zu besuchen. Auch dort ist die Freude groß. Wie haben wir auf diesen Tag gewartet! Ist so etwas möglich? Das Volk wartet auf den Feind, um erlöst zu werden! (Kriegstagebuch Magda Lapierre, geb. Hollands)

Pfarrer Backes berichtet sehr ausführlich

Als wir zurückkommen, durchsuchen die Amerikaner das Haus Sch. nach Waffen. Es sind keine da. Das Anerbieten, Bürgermeister zu werden, lehne ich trotz der angebotenen guten Sachen ab. Ein Glas Wein vereint uns mit den Siegern, die sich manierlich betragen. Wir schlafen ruhig im Keller. Die wenigen Einschläge deutscher Granaten ändern daran nichts. Der Nazizauber ist für uns zu Ende.
Bei dem ersten Zusammentreffen mit amerikanischen Soldaten in unserem Keller fällt angenehm die Zwanglosigkeit auf, in der diese mit ihren Vorgesetzten verkehren. Als solche sonst nicht erkennbar, zeigt nur der Strich auf dem hinteren Helmrand die Charge an. Im Unterschied zur deutschen Armee gilt der Mensch alles und das Motorrad nichts. Gerät kann draufgehen, der Mensch wird geschont. Selbst Waffen werden gefahren. Und auch der Soldat selbst, soweit es das Kampfgeschehen nur immer gestattet. Ein Draufgängertum, wie bei unserer Armee üblich gewesen, kennen sie nicht. Sie lassen eben die Maschinen arbeiten; sie können bei dem ungeheueren Materialbestand leichter ersetzt werden als Menschen. Eine ganz andere Art des Soldaten tritt uns im Amerikaner entgegen. Ebenso angenehm berührt die schlichte Selbstverständlichkeit, mit der sie sich zu ihrer Konfession bekennen. Was wäre bei unserer Wehrmacht wohl geschehen, wenn einer seinen Waffenrock aufgeknöpft und auf den Rosenkranz hingewiesen hätte, den er am Halse trägt? Um es vorwegzunehmen, die Haltung der katholischen Amerikaner bei ihren Gottesdiensten ist vorbildlich.
Auf die Frage, warum sie nicht von Horbach, wo sie doch schon seit dem 17. September liegen, in das unbesetzte Kohlscheid vorgestoßen sind, antwortete der Offizier, die Ölleitung wäre nicht schnell genug nachgekommen. Sie unternehmen nichts, wenn es nicht absolut sicher ist. Sie wollen zu Ostern in Berlin sein, und das werden sie nach Meinung des Offiziers auch schaffen.
Staunen erregen die Art und die gute Qualität ihrer Verpflegung. Ein Vergleich mit der unsrigen zeigt, daß wir am Ende unserer Kraft sind. Auch die Bekleidung, von den Waffen ganz zu schweigen, ist erstklassig und praktisch. Bei der geringsten Beschädigung gibt es neues Zeug. Gern greifen unsere Leute nach den abgelegten Sachen. Die zur Verpflegung gehörende Schokolade und Klümpchen bekommen meist die Kinder. Und als später Küchen eingerichtet werden, teilen die Soldaten gerne von ihrem Überfluß aus. Sie dürfen es eigentlich nicht. Alle Reste sollen in Tonnen geworfen und verbrannt werden, wie sie es auch zu Hause gewohnt sind. Die Bewohner mit Einquartierung haben es nicht schlecht, ein gutes Verhältnis bahnt sich unter Siegern und Besiegten an. Zum Teil glauben die Soldaten, wir wären keine Deutschen, weil die Leute so freundlich sind. Dieses barbarische Volk beginnt für die Soldaten erst hinter dem Rhein. Bratkartoffeln scheinen für alle Soldaten der Welt das Lieblingsgericht zu sein, reicht man dazu noch frisches Gemüse, dann geben sie freiwillig ihre Kost her.

Für Aachen: weiter Durchhalteparolen

Der Reichstagsabgeordnete und Hauptschriftleiter des Westdeutschen Beobachters Martin Schwaebe hatte, als sich der Belagerungsring um Aachen endgültig schloss, in seinem Blatt am 16. Oktober 1944 zu bedingungslosen Widerstand, zum Kampf gegen jeden Defätismus aufgerufen und dabei die Tätigkeit der am 12. September in der Stadt zunächst zurückgelassenen Notverwaltung einer hemmungslosen Kritik unterzogen, indem er u. a. schrieb:

„Unvergessen werden die Hunderttausend sein, die als Soldaten mit Hacke und Spaten dem Feind entgegengingen, und ewig wird das Heldenlied der Grenadiere tönen, die die Trümmer der Kaiserstadt mit ihrem Herzblut weihten. Wer aber wird der zwölf Elenden Erwähnung tun, die, von ihrem Volke ausgestoßen, auf einem unbekannten Schindanger verscharrt wurden? . . . Darum laßt uns nicht länger dulden, daß Heldenmut und Opfertum unserer Soldaten, daß Leid und Not unserer Frauen und Kinder, daß der ganze ungebrochene Widerstandswille von Front und Heimat beschmutzt und besudelt wird von einer Handvoll Verräter. Schlagt sie, wo ihr sie trefft! Sie sind dem Volke überantwortet!"

 

Auch wenn in Aachen der 2. Weltkrieg am 21. Oktober 1944 endete, tobte er weiter durch Deutschland bis zum bitteren Ende der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945.