Vorbemerkung 2022: Die folgenden Überlegungen zu "Herzogenrath" stammen von 2012, ich lasse sie stehen. Aber diese Denkweise ist eigentlich veraltet.
Kohlscheid wurde durch das "Aachen-Gesetz" ab dem 1. Januar 1972 in der kommunalen Neugliederung mit Merkstein und Herzogenrath zu der neuen Stadt Herzogenrath im damaligen Kreis Aachen zusammengeschlossen. Die Entscheidung dafür fiel damals denkbar knapp aus; nur eine Stimme entschied darüber, dass Kohlscheid nicht zu Aachen kam.
Wird man mit dem Wohnen in Kohlscheid zum Herzogenrather? Das trifft eher verwaltungstechnisch zu, vom Gefühl her ist man Kohlscheider. Und das dürfte für die hier Geborenen noch stärker zu treffen als für uns Zugezogene; man zieht nach Kohlscheid, nicht nach Herzogenrath.
Die Antwort auf die Frage, „Wo wohnst Du?“ fällt z.B. unterschiedlich aus.
Sie führt zu der Antwort: „in Kohlscheid", wenn jemand die Gegend hier kennt; oder - „bei Aachen“, wenn die Gegend nicht bekannt ist – oder für Niederländer „bei Kerkrade“.
Schon seit längerem interessieren mich Fragen von Heimatgefühl und Identität, sowohl der persönlichen wie einer kommunalen.
Wie ist das mit Kohlscheid – als Teil von Herzogenrath?
Warum ist es in der Stadt Herzogenrath so schwierig, eine gemeinsame Stadtidentität heraus zu bilden?
Dazu ein paar Eindrücke und Gedanken.
Nach Herzogenrath fährt man als Kohlscheider nur, wenn man zum Rathaus muss, oder vielleicht zu einem Supermarkt. Der ortsnahe Bürgerdienst der Kommunalverwaltung im Kohlscheider TPH wurde leider eingestellt.
Wenn man sonst etwas besorgen muss, was vor Ort nicht zu haben ist, fährt man nach Aachen, oder in die Niederlande. Der nächste Mediamarkt liegt übrigens in Straß, einem weiteren Stadtteil, der um seine eigene Identität trotz seiner Zugehörigkeit zu Herzogenrath-Mitte ringt.
Und wer in Aachen arbeitet, orientiert sich eher nach Aachen als nach Herzogenrath. Wenn man die Stadt- und Bauentwicklungen der letzten Jahre unter diesem Aspekt verfolgt, sieht man die Entfernungen zwischen Aachen und Kohlscheid schwinden (Campus West in Aachen, Richtericher Dell, Dornkaul in Kohlscheid). Und wenn dann noch die Regiobahn elektrisch fahren kann ...
Deswegen bezieht man nicht die Nordkreisausgabe der Aachener Zeitung, darin wird eh wenig über Herzogenrath bzw. Kohlscheid berichtet. Wie ganz viele aus unserem Bekanntenkreis lesen die Lokalausgabe Aachen, die ist relevanter für Freizeitaktivitäten. Und bei Bedarf kann man die Nordkreisausgabe ergänzend digital abonnieren. Und muss dann leider mit vielen Dopplungen leben.
Es geht um Zugehörigkeit, um Ortsidentität. Früher nannte man das Lokalpatriotismus.
Was wir heute für die neue Stadt Herzogenrath als gemeinsame Identität vermissen, merkte Ortmanns bereits 1958 an für die Gemeinde Kohlscheid nach der Umbenennung 1908: in Kohlscheid entwickelte sich niemals ein „Lokalpatriotismus" auf den ganzen Ort gesehen, dafür hat sich jedoch der Lokalpatriotismus der einzelnen alten Ortsteile um so mehr herausgebildet und besteht auch heute noch.
Und 2023, viele Jahre später, ist das immer noch so.
Und vermutlich war das in allen Stadtteilen so, also auch in Herzogenrath oder Merkstein - beide wurden wie Kohlscheid aus verschiedenen Ortsteilen gebildet.
Vielleicht der Grund, warum die "neue" Stadt Herzogenrath (noch) nicht zu einer gemeinsamen Identität finden kann?