Wer sich mit dem Dritten Reich ernsthaft beschäftigen will, sollte sein eigenes (familiäres) Verhältnis zu dieser Zeit klären. Dabei helfen die Anregungen von Elke Rottgardt. Ihre Ausgangsthese:
Niemand, der die NS-Zeit bewusst miterlebt hat, kann ohne Berührung
zu den nationalsozialistischen Verbrechen geblieben sein.
Ihre Fragen (in einer Umformulierung von Nadine Hauer) regen an zur Selbstreflexion :
- Was war oder ist die Haltung meiner Eltern/Großeltern zum Dritten Reich und insbesondere zu dem Unrecht, das den ganzen nationalsozialistischen Alltag mitbestimmte?
- Woher und wie zuverlässig weiß ich, was ich diesbezüglich weiß?
- Habe ich nachgeforscht, was in dem Ort passiert ist, in dem meine Familie damals lebte? Weiß ich, was meine Eltern/Großeltern von allem mitbekommen haben?
- Ob sie sich dagegen gewehrt haben? Und wenn ja, wie das konkret aussah?
- Weiß ich, ob meine Eltern/Großeltern eingeschritten sind, wenn Juden oder andere »Volksschädlinge« in ihrer Gegenwart gedemütigt, bedroht oder angegriffen wurden?
- Habe ich überprüft, ob meine Eltern/Großeltern nicht zu den zahllosen Tätern gehörten?
- Habe ich bei dieser Überprüfung meine eigenen Kriterien von Täter- und Mittäterschaft zugrunde gelegt – unabhängig davon, was die Betroffenen mir sagten?
- Weiß ich, wo mein Vater/Großvater an der Front war und welche NS-Verbrechen dort passierten – unabhängig von den »normalen« Kriegshandlungen?
- Weiß ich, was mein Vater/Großvater davon gesehen bzw. mitgetragen hat?
- Haben meine Eltern/Großeltern Trauer, Scham oder Reue über die NS-Vergangenheit gezeigt? Trauer, Scham oder Reue darüber, in dieser Zeit gelebt und sich nicht anders verhalten zu haben?
- Haben sie durchblicken lassen, dass sie sich so nicht wieder verhalten wollen?
- Wie haben sie diese Absicht gegebenenfalls unter Beweis gestellt?
- Bin ich schon einmal dem Gedanken nachgegangen, dass meine Wahrnehmung der politischen Entwicklung, mein politisches Denken und Fühlen, von meinen Eltern geprägt wurde? Dass deren Haltung zum
Nationalsozialismus somit auch mich beeinflusst?
- Wie fühle ich mich bei diesem Gedanken?
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